Carla Wagener schweigt
Nächste Woche steht mal wieder eine Geschäftsreise mit Hotelübernachtung an. Die Kollegen freuen sich schon aufs üppige Frühstück. Ich nicht.
Eigentlich übernachte ich gern im Hotel. Denn ich genieße es, mich um nichts kümmern zu müssen. Das Bett ist einladend aufgeschüttelt, im Bad stehen nette Fläschchen bereit, man räumt hinter mir her, legt mir ein Betthupferl aufs Kopfkissen und faltet Handtuch-Origami zu meiner Erbauung.
Wenn nur das Frühstück nicht wäre. Meist ein riesiges Buffet mit x Brötchensorten und Eiern in verschiedensten Darreichungsformen, mit Obst, Müsli und Joghurt, mit Platten voller Wurstaufschnitt, riesigen Käsetellern, unzähligen Marmeladen und am Ende vielleicht sogar noch Würstchen, Speck und Bohnen. Finden Sie das toll? Ich nicht. Mich überfordert das.
Vor dem ersten Kaffee bin ich zu nichts zu gebrauchen, geschweige denn entscheidungsfähig. Also stehe ich verloren vor den kompanietauglichen Essensbergen und blicke hilfesuchend um mich. Von der dringend benötigten Koffein-Infusion trennt mich ein Hightech-Gerät, das 15 Knöpfe hat, aber offenbar nur unter Anwendung eines komplizierten Rituals das ausspuckt, was ich brauche, um das Folgende überhaupt bewältigen zu können. Ein gemeines Paradoxon – wie das aus dem Witz mit dem Mann, der von seinem Arzt gefragt wird, ob das Stärkungsmittel helfe, das er ihm verschrieben hat? Der Schwache antwortet: „Ich habe die Flasche nicht aufbekommen.“ So geht es mir mit diesen Maschinen.
Habe ich die Kaffee-Hürde durch Unterstützung mitleidiger anderer Gäste oder einer Servicekraft genommen, folgen komplizierte Entscheidungsprobleme am Buffet: gekochtes Ei oder Rührei? Joghurt oder Quark? Müsli oder Flakes? Vollkornbrot oder Brötchen? Wurst oder Schinken? Camembert oder Edamer? Marmelade, Honig oder Nusscreme? Ja, woher soll ich das denn wissen?! In diesen Momenten wünsche mir ganz altmodisch einen Kellner zurück, der mir einfach ein Standardfrühstück hinstellt – am besten unaufgefordert und wortlos.
Ich hätte da mal eine Bitte: Wenn es schon ein Buffet sein muss, wünsche ich mir dort eine kleine Ecke für Morgenmuffel (ähnlich wie im Supermarkt die Schnellkasse für diejenigen mit kleinem Einkauf): „Entscheidungsschwach? Noch nicht wach? Bitte hier entlang!“ Ein Kaffee, ein Ei, fertig. Nachladen kann ich ja immer noch, wenn sich die Lebensgeister dazu herabgelassen haben, zu erwachen.
Erschienen in: CWT Connect, Ausgabe 01-2013
Illustration: Matthias Seifert
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2 Kommentare
haha!! Sehr wahr! Ich bin bei Buffets ja auch immer grandios überfordert. So viel essen – da vergeht mir sofort der Hunger.
Wäre eigentlich eine fabelhafte Diät. :-D
Jaaaa. Stimmt. Ich liebe kleine, feine Hotels mit hübschen Speisesälen, in denen der Kaffee am Tisch ausgeschenkt wird und das Büffet zwar für jeden etwas bietet, aber nicht überfordert.
Und der Witz mit dem Stärkungsmittel ist einer meiner liebsten. :)