Carla Wagener mag’s einfach
Wir stehen im Kollegenkreis zusammen in der Teeküche und sprechen über die nahende Urlaubszeit. Fazit: Es ist komplex.Die Kollegin aus dem Einkauf ist völlig gestresst, weil sie keinen Durchblick mehr hat, wo sie die günstigsten Konditionen für ihren Urlaub im Spätsommer kriegt. Sie kennt jetzt zwar sämtliche Untermenüs aller gängigen Reisesuchmaschinen, aber wohin sie eigentlich fahren soll, konnte sie noch nicht entscheiden. Ihr Mail-Ordner mit den angeforderten Angeboten ist gestern abgeraucht, und jetzt überlegt sie, ob sie nicht einfach zu Hause bleibt.
Beim Kollegen aus dem Vertrieb hängt seit Monaten der Haussegen schief, weil sich die Familie nicht einigen kann, wohin es gehen soll: Meer oder Berge? Stadt oder Land? Faulenzen oder aktiv sein? Mit dem Auto fahren oder fliegen? Mittlerweile haben sie einen Fünfjahresplan gemacht, der sicherstellt, dass jedes Jahr mindestens ein Familienmitglied seine Interessen durchsetzen kann. Ich bin gespannt, wohin diese Kompromissfalle sie führt, wenn der jetzt Zweijährige bestimmen darf.
Früher war das alles so einfach. Da fuhr man entweder nach Dänemark ins Ferienhaus oder nach Italien ans Meer. Heute habe ich die Wahl zwischen spirituellen Kochkursen im Nirgendwo, Trekkingtouren in Zentralasien oder einer Hochsee-Challenge im Nordatlantik. Letztes Jahr wollte ich besonders schlau sein und habe einen „einfachen Urlaub“ gebucht. Ich hatte mich auf einer Alm irgendwo am Ende der Welt eingenistet, mit Schlafen im Heu und Kochen überm offenen Feuer – so im Sinne von: zurück zu den Basics, wenig Komfort, Besinnung aufs Wesentliche.
Das Ende vom Lied war, dass ich mangels moderner Haushaltstechnik so damit beschäftigt war, die einfachen Handgriffe des täglichen Lebens zu bewerkstelligen, dass ich gar nicht dazu kam, Urlaub zu machen. Dieses einfache Leben ist ja für uns Gewächse des modernen Stadtlebens ganz schön komplex – mal eben was einkaufen oder gar online bestellen entfällt, und so geht für die Beschaffung des Alltäglichen schon mal der halbe Tag drauf. Ganz zu schweigen vom Spülen und Waschen von Hand und der Herausforderung, zum Duschen wenigstens lauwarmes Wasser zu haben. Da wiederum hat man gar keine Wahl: Mache ich kein Feuer, wird es nicht warm. Das ist dann in der Tat herrlich einfach.
Ich glaube, im nächsten Urlaub werde ich die Komplexität mal an die guten Geister hinter den Kulissen outsourcen. Ich buche was mit Full Service – das ist dann immerhin für mich einfach.
Erschienen in: CWT Connect, Ausgabe 03-2013 (PDF, ca. 10 MB)
Illustration: Matthias Seifert
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2 Kommentare
Es wirklich der ganzen Familie recht machen und jeden Wunsch zu erfüllen ist mehr oder weniger ein ding der Unmöglichkeit. Jeder hat eigene Vorstellungen wie der perfekte Urlaub aussehen soll: Die Mama will am Besten irgendwo aufs Land, wo sie so richtig entspannen kann. Der papa möchte gern etwas sportlicher reisen, und bevorzugt dazu einen Urlaubsort in den bergen. Die Tochter will in die Stadt, damit sie die Einkaufsmeile unsicher machen kann. Und der werte Herr sohn möchte gerne ans Meer, zum BAden und Bananenboot fahren. In solchen Fällen hilft nur eines: diskutieren und kopromisse finden. Oder beinhart als elternteil durchgreifen und die Kinder nicht miteinscheiden lassen. Klingt hart, ist aber besser als dann im endeffekt gar keine Entscheidung zu treffen und zuhause sitzen zu bleiben.
Äh. das ist eine Kolumne. Alles nicht so ernst gemeint ;-)